Schema der Sandverlagerungen und Strömungen im Bereich der nördlichen Niederlande und Niedersachsens
Wenn der Sand entlang der Küste der südlichen und östlichen Nordsee weiter wandert, bildet er eine durchgehende Barriere aus Dünen, solange sich hinter der Barriere festes Land befindet. Dies ist in nördlicheren Teilen von Dänemark sowie in Belgien und Nordfrankreich von Natur aus und aufgrund umfangreicher Landgewinnungsmaßnahmen auch in den westlichen Niederlanden der Fall. Wächst die Sandbarriere jedoch ins Meer hinaus, wie es in den nördlichen Niederlanden und in Niedersachsen der Fall ist, werden küstennahe Flachmeerbereiche vom offenen Meer abgeschnitten. Im Grunde genommen sind die friesischen Inseln nichts anderes als eine große, lang gezogene Nehrung. Nehrungen entstehen, wenn entlang eines Ufers durch die Strömung Sediment transportiert wird, das sich vor einer Bucht im Strömungsschatten ablagert. In einem tidefreien Meer, zum Beispiel der Ostsee, bilden sich Nehrungen als lange Landzungen vor einer abgeschnittenen Bucht, dem Haff. In Tidegewässern kommt es jedoch zu intensiven Wechselwirkungen zwischen dem wandernden Sand und den Gezeiten, die nach wie vor zweimal am Tag in das abgeschnittene Meeresgebiet hinein und hinaus strömen. Durch das ständige Vorrücken des Sandes werden nämlich der auflaufende Flutstrom und der ablaufende Ebbstrom zunehmend eingeengt, so daß die Tideströme immer reißender werden - ganz ähnlich wie in Stromschnellen eines Flusses. Schließlich wird die Strömung so stark, daß der Sand nicht mehr zur Ablagerung kommen kann, sondern vom Flutstrom in das küstennahe Flachmeer und vom Ebbstrom ins offene Meer hinaus gespült wird. Sobald jedoch der Einengungseffekt nachlässt, lässt auch die Stärke der Strömung wieder nach, so daß sie nicht mehr in der Lage ist, den Sand weiter fort zu tragen. Der Sand lagert sich also wieder ab, und zwar auf der Rückseite der Sandbarrieren, wo er so genannte Rückseitenwatten bildet, während sich seeseitig ein deltaähnlicher Bogen aus ostwärts wandernden Sandriffen und Sandplaten bildet. Aus den Sandplaten heraus bilden sich dann auch wieder Dünen, so daß sich die Sandbarriere weiter verlängern kann, nun in Form einer Düneninsel. Sie kann so lange nach Osten weiter wachsen, wie ihr Sand zugeführt wird und die Gezeitenströme nicht erneut einen Durchbruch erzwingen. Diese Durchbrüche, Seegatten genannt, bilden sich in regelmäßigen Abständen, so daß nach und nach eine lange Inselkette entsteht. Die gesamte Inselkette wiederum mitsamt ihren Seegatten verlagert sich den vorherrschenden Strömen und Westwinden folgend nach Osten, wobei die Inseln an ihrem Westende ständig abgebaut werden und dafür an ihrem Ostende weiter wachsen. An der dem Wind am stärksten ausgesetzten Seite bilden sich steile, kliffartige Abbrüche, die Sturmkanten. Der dort abgetragene Sand wandert entweder ins Wattenmeer hinein oder folgt der Außenküste nach Osten. Daher haben die Inseln in den nördlichen Niederlanden und in Niedersachsen in der Regel eine lang gezogene Form mit einem Haken am Westende. Ortsfest in diesem Wechselspiel aus Meer, Wind und Sand sind lediglich solche Inseln, wo der Sand sich um ehemalige Höhen der von der Nordsee überfluteten Geest gelegt hat, den so genannten Geestkerninseln, nämlich Texel, Terschelling, Borkum und Langeoog. Wie lang die Inseln werden können, die keinen Geestkern enthalten, hängt im Wesentlichen vom Tidenhub und damit der Stärke der Tideströme ab. Je stärker die Tiden, desto kürzer folgen die Seegatten aufeinander. Im Extremfall können sich nur Sandbänke und kleinere, runde Eilande bilden. In der Nordsee ist der Tidenhub in der inneren Deutschen Bucht am stärksten, wo überdies die eng beieinander liegenden Mündungstrichter von Weser und Elbe die Sandwanderung stören. Demensprechend finden wir hier nur kleine Inseln, die immer in Gefahr sind, wieder zu verschwinden, wie es auf dem Knechtsand geschehen ist. Diese Lücke reicht vom Jadebusen bis nach Dithmarschen. Nördlich davon setzt die Bildung von Düneninseln wieder ein. Die Dynamik der Küste Schleswig-Holsteins und des südwestlichen Dänemarks ist allerdings weniger regelmäßig. In den Niederlanden und in Niedersachsen blasen die vorherrschenden Westwinde den Sand bei der Dünenbildung nach Osten und unterstützen damit die generelle Wanderrichtung des Sandes. In Schleswig-Holstein und Dänemark wandert der Sand aber entlang der Küste nach Norden, und das heißt, quer zur vorherrschenden Windrichtung. Sobald also der Sand aus dem Meer auftaucht, bläst der Wind ihn auf die Küste zu, so daß er sich eher im Wattenmeer verteilt und nicht weiter wandert. Ansehnliche Dünengebiete haben sich nur dort gebildet, wo der Sand auf Geestreste aufgelaufen ist, so in Eiderstedt, Amrum, Föhr, Sylt und Römö.
Es ist sogar sehr wahrscheinlich, daß sich in weiten Bereichen der schleswig-holsteinischen Küste die Watten überhaupt erst durch menschliches Zutun gebildet haben. Unter den auflandigen Winden wanderten die Dünen bis an die Hochmoore am Rande der Geest, deren Torf sich mit eindringendem Salzwasser tränkte. Diesen Torf grub man ab und verbrannte ihn, um aus der Asche Salz zu gewinnen. Welche Überraschung, daß wenig später Sturmfluten die tiefer gelegten Moorflächen überrollten und mit Schlick zu deckten. Noch heute kann man im Watt Torfsoden aus dieser Zeit antreffen.
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