Schließlich erreichen wir flußaufwärts das Gebiet der Werder. Werder sind Flußinseln in einem Gebiet, wo der Fluß sich in zahlreiche Arme auffächert. Solche Gebiete haben sich dort gebildet, wo der aus dem Binnenland kommende Fluß auf die den Gezeiten gehorchenden Gewässer stieß. Wie wir schon gesehen haben, wird der Ablauf des Flußes durch die Flut im Meer zeitweise gestoppt. In dieser Zeit kommt das Wasser des Flußes zur Ruhe und verliert damit seine Tragkraft, so daß mitgeführte Sedimente, Sand, Schlamm und feinste Trübstoffe ausfallen und sich am Grund anhäufen. Damit verstopft sich der Fluß selber sein Bett und muß nun in immer wieder neuen Wasserläufen neue Wege finden. An offenen Küsten würde sich jetzt ein fächerförmiges Delta bilden. Hier aber haben wir die langgezogenen Trichtermündungen, die auf ertrunkene Flußauen zurückgehen, die durch nacheiszeitliche Landsenkung und Meeresspiegelanstieg geflutet wurden. Im Grunde sind also die Werderlandschaften nichts anderes als eine Deltabildung, die von den Rändern der Trichtermündungen eingeengt ist.

In der Naturlandschaft boten die Werder weite Sumpflandschaften aus Flußrinnen, ausgedehnten Röhrichten und Auwäldern. Solche Landschaften gibt es nicht mehr, denn im Bereich der Werder entwickelten sich große Hafenstädte wie Hamburg und Bremen (oder London an der Themse). Die Entwicklung dieser Städte beruhte darauf, das mittelalterliche Seeschiffe mit der Tide bis hierhin kommen konnten, aber nicht weiter, während die Flußschiffer mit ihren kleinen Kähnen sich bis hierhin vorwagen konnten, aber nicht hinaus in die bereits ungemütlichen Trichtermündungen. Im Lauf der Jahrhunderte wurden die Schiffe immer größer, so daß man die Flüße begradigte und vertiefte, um die relativ tief im Landesinneren liegenden Seehäfen nicht verlegen zu müssen. Damit wurden Strömungshindernisse beseitigt, so daß sich jetzt die Gezeitenströme ungehindert auswirken konnten. Als Folge hat sich zum Beispiel in Bremen, wo ursprünglich einmal die tidebeeinflußte Zone aufhörte, der Tidenhub von kaum wahrnehmbaren 20cm auf inzwischen viereinhalb Meter verstärkt. Sperrwerke und Uferbefestigungen wurden nötig, die gleichzeitig wieder als Kaianlagen dienen konnten. So wurden aus den Werdern wichtige Umschlagplätze, die sich immer weiter ausdehnten, bis von der ursprünglichen Landschaft nichts mehr übrig war.