Man würde wohl erwarten, daß die Seegraswiesen zur Küste hin gleich in Salzwiesen übergehen. Das ist auch manchmal der Fall, aber keineswegs die Regel. Die Seegräser können zwar kurzzeitig trockenfallen, nicht aber für eine volle Niedrigwasserzeit. Und so liegt zwischen beiden oft wieder ein offenes Watt. Es unterscheidet sich allerdings von den sandigeren Watten, die wir schon kennen, weil das weitgehend ruhige Wasser unmittelbar vor der Festlandsküste kaum noch Sand mit sich bringt. Andererseits können sich hier feinste organische Partikel als Schlick absetzen.
Der weiche Schlick lagert sich dicht zusammen und läßt kaum Licht durch, so daß die Kieselalgen nicht wie im Sand in den Zwischenräumen leben können. Sie sammeln sich daher auf der Oberfläche an und umgeben sich mit einer schützenden Schleimschicht, die sie bei Niedrigwasser vor dem Austrocknen schützt. Diese braune und festere Schicht ist auf dem obigen Bild gut vor dem grauen Hintergrund des Schlicks zu erkennen. Wenn die nächste Flut erneut Schlick über die Kieselalgen breitet, verlassen die ihre Schleimschicht, kriechen nach oben an die neue Oberfläche und schleimen sich wieder ein.
Die Kieselalgen legen auf diese Weise den Schlick gleich mit fest, bevor die nächste Ebbe alles wieder mit sich nehmen könnte. Kieselalgen wie die obige verursachen damit eine starke Auflandung der Watten, die die des Quellers und anderer höherer Pflanzen weit übertrifft. Das hindert aber zum Beispiel die beiden Wimpertierchen (links und rechts) nicht, die Kieselalgen als Nahrung zu nutzen. Die werden ihrerseits unter anderem von manchem immer noch mikroskopisch kleinen Fadenwurm (unten) gefressen, so daß sich ganze Nahrungsnetze aufbauen.
Die gesamte mikroskopische Lebensgemeinschaft wiederum weiden die Wattschnecken (Hydrobia ulvae, unten links) ab, deren Spuren man überall auf dem Schlick sehen kann (unten). Danach graben sie sich ein, um nicht auszutrocknen. Kommt aber die nächste Flut, lassen sie sich an der Wasseroberfläche treiben und produzieren ein Schleimband, an dem Planktonorganismen kleben bleiben. Das fressen sie dann auch, bevor sie bei Ebbe wieder auf dem Schlick abgesetzt werden, um dort weiter zu fressen. Ein erstaunlicher Rhythmus!
Fische können natürlich nur die Hochwasserzeiten nutzen. Dies tut die Dicklippige Meeräsche (Chelon labrosus), die als vielleicht einziger Vegetarier unter den Wattenmeerfischen die Rasen der Kieselalgen abweidet. Sie liebt die inneren Küstenbereiche und dringt sogar ins Brackwasser der Flußmündungen ein.
Kommt die Ebbe, ziehen sich die Meeräschen in die Priele zurück. Nun kommen die Vögel. Die Brandente (Tadorna tadorna, links) setzt fort, was die Meeräschen begonnen haben: Sie weidet mit ihrem platten Schnabel die Kieselalgenrasen ab. Sie ist ein typischer Vogel des Wattenmeeres. Ungewöhnlich ist aber, daß sie lieber im Gebüsch der Dünen oder sogar in Kaninchenbauten brütet und nicht so gerne im Offenen wie die anderen Vögel der Küste.

Noch ein anderer Vogel weidet mit platten Schnabel die Kieselalgen ab: Der Löffler (Platalea leucorodia, unten).

Der Säbelschnäbler (Recurvirostra avosetta, links) hingegen lebt von Kleintieren, die er mit seinem feinen, aufgebogenen Schnabel aus dem flachen Wasser von Pfützen seiht, die auf dem Watt stehen bleiben. Er bemüht sich bereits um Beute, während das Wasser noch abläuft. Auch er war lange Zeit selten.
Er war lange Zeit aus dem Wattenmeer verschwunden. Seit den 1960er Jahren hat er sich aber erfreulicherweise wieder von seinen nördlichsten Vorposten in den Niederlanden bis Dänemark ausgebreitet.