Hinter Salzwiesen und Röhricht begann irgendwo der Wald. Wie der genau ausgesehen hat, wissen wir nicht. Nirgendwo in den Seemarschen hat auch nur ein einziges Relikt natürlichen Waldes die Urbarmachung überlebt, und so sind wir wieder auf Vermutungen angewiesen. Wir können wohl davon ausgehen, daß sich auf den nassen Böden Bruchwälder aus Schwarzerlen (Alnus glutinosa, links und beide Bilder oben) und daneben Grauweide (Salix cinerea, unten rechts) gebildet haben. Die Schwarzerle erträgt noch einen Salzgehalt von etwa 0,2% Promille. Das ist nicht viel, verglichen mit dem offenen Meer (3,4%) oder auch nur der inneren Deutschen Bucht (2,2%). Dennoch ist sie damit unter den Bäumen an der Nordseeküste konkurrenzlos. Allerdings ist sie sehr windanfällig, so daß große, stattliche Bäume wohl erst abseits der offenen Küste aufwachsen konnten. Dazu kommt, daß große Bäume tiefe Wurzeln haben. In den Marschen schichtet sich ähnlich wie in den Dünen süßes Grundwasser über salziges, das vom Meer her eindringt. Die oberflächliche süße Grundwasserschicht ist aber nicht sehr mächtig. Man kann davon ausgehen, daß im Bereich der Waldgrenze der salzarme Bodenraum tief genug für Jungpflanzen war, für ältere, größere Bäume aber nicht ausreichte.
Nun gingen aber im Wattenmeer die Salzwiesen meist gar nicht in festes Land, sondern in sumpfige Marschen über. Wie man aus rudimentären Resten schließen kann, bildete die Salzaster (Aster tripolium, oben links), die schon in den Andelwiesen vorkam, ausgedehnte, hochwüchsige Bestände (oben), unter die sich mehr und mehr die Brackwasserbinse (Bolboschoenus maritimus) mischte, die wir schon von den Düneninseln kennen. An Störstellen siedelte sich hier gern das Salzmilchkraut (Glaux maritima, links) an, das sich heute entlang von Fahrspuren oder ähnlichem findet.
Sobald landeinwärts der Salzgehalt im Bodenwasser schwach genug geworden ist, verdrängt Schilf (Phragmites communis, oben: im Hintergrund) mit sehr viel höheren und dicht geschlossenen Röhrichten die Salzastern und Binsen (oben: im Vordergrund).

Die Binsenschneide (Cladium mariscus, rechts) kommt heute als Relikt zum Beispiel auf Borkum und in der Geesteniederung in kalkhaltigen Sumpfwiesen vor. An der sandigen Biskayaküste in Frankreich bildet sie jedoch ausgedehnte Röhrichte in leicht brackigem Wasser. War das bei uns vielleicht auch so? Ausgeschlossen erscheint das nicht, aber wirklich wissen...

Entlang von Süßwasserbächen, die sich in die Sumpfmarschen ergossen, dürften wohl die stattliche Erzengelwurz (Angelica archangelica, links) und die Gelbe Wiesenraute (Thalictrum flavum, rechts) ihren Platz gefunden haben. Beide können noch leichte Salzgehalte ertragen.
An der Ostküste Nordamerikas, wo es ja auch ein ausgedehntes Wattenmeer gibt, kann man dieses Phänomen tatsächlich beobachten. Dort, unter weitaus natürlicheren Bedingungen als bei uns, reichen die Wälder erstaunlich nahe ans Meer, doch sind sie regelmäßig von einem Gürtel abgestorbener, halbwüchsiger Bäume umgeben (oben und rechts). Dieser Jungwuchs konnte offensichtlich solange in dieser Kampfzone gedeihen, bis die immer tiefer vordringenden Wurzeln das salzige Grundwasser erreichten, worauf die Bäume eingingen.
Den Bruchwäldern folgten landeinwärts weite, baumlose Hochmoore, die bis an den Rand der Geest reichten. Wie sanft abfallend die Geesthänge auch sein mögen, die Marsch hat gar kein Gefälle, so daß das von der Geest ablaufende Wasser in der ohnehin nassen Marsch nicht mehr voran kam und sich staute. In diesen noch stärker vernässten, Sietland genannten Marschen entwickelten sich in der Folge großflächige Moorkomplexe, von denen heute allerdings auch nicht mehr viel übrig ist.
Ähnlich wie die Keilmelden wurden auch die Röhrichte aus Salzastern und Brackwasserbinse schnell durch Beweidung vernichtet. Heutzutage hat sich statt dessen ein Rasen aus Boddenbinse (Juncus gerardii, oben) etabliert, der diese Belastung aushält. Wo die Boddenbinse in der natürlichen Landschaft ihren Platz hatte, wissen wir nicht genau. Es ist aber vorstellbar, daß heute längst ausgerottetes Großwild wie Elche, Auerochsen oder Wisente so wie jetzt das Vieh weideähnliche Flächen bedingt haben. Doch wie weit diese großen Tiere überhaupt bis in die offenen Marschen hinaus gekommen sind, wissen wir schlichtweg nicht.
In den Bereichen, wo der Salzgehalt des Marschbodens soweit abgenommen hat, daß mit dem Aufkommen der ersten Bäume zu rechnen war, kam ein besonderes Röhricht auf, in dem neben dem allgegenwärtigen Schilf große Mengen des Sumpffarns (Thelypteris palustris) vorkamen. Diese Gemeinschaft gibt es in den heutigen Marschen nicht mehr.
Die Hochmoorvegetation stirbt schnell, sobald salzige Gischt sie erreicht, und der nun völlig ungeschützte Torf wird von der Brandung in so genannte Dargen zerschlagen. In ruhigeren Zeiten können auf den von Salzwasser durchtränkten Dargen Pflanzen der Spülsäume wachsen. Kommen jedoch weitere Sturmfluten, rollen die Dargen im Seegang und werden nach und nach zerrieben, bis nur noch brauner Grus übrigbleibt, der sich im Meer verteilt. Der vom Schlick überdeckte Niedermoortorf bleibt hingegen im Untergrund erhalten, wie der oben erwähnte Basaltorf.
In diesem Zusammenhang soll das Phänomen der schwimmenden Moore nicht unerwähnt bleiben: Katastrophale Sturmfluten schädigen die Seemarschen weit weniger als das sumpfige Sietland. Die Seemarschen bieten dem Wellenschlag mit ihren aus zusammengesacktem Schlick bestehenden Kleiböden einen weitaus höheren Widerstand als die Torfböden der Moore. Noch im Mittelalter sind Buchten wie Dollart, Leybucht, Harlebucht und Jadebusen entstanden, als Sturmfluten soweit ins Hinterland durchschlugen, daß Moorkomplexe zerstört werden konnten. Ohne Zweifel traten derartige Prozesse bereits mit dem ersten Vordringen der Nordsee auf, wie der so genannte Basaltorf belegt, eine Torfschicht, die man überall unter den marinen Ablagerungen findet. Wenn eine Sturmflut auf ein Hochmoor trifft, wird es aber nicht einfach überflutet, sondern schwimmt auf. Solche schwimmenden Moore gab es früher an vielen Stellen der Nordseeküste. Heute ist nur noch ein einziges kleines Reststück übrig, das auch rasch kleiner wird, das Sehestedter Aussendeichsmoor im Jadebusen.
Während der aus frühen Phasen der Moorentwicklung stammende, durch Auflast jüngerer Schichten kompaktierte und damit schwerere Niedermoortorf am Boden verbleibt, reißt der leichtere Hochmoortorf ab und schwimmt auf. Unter dem schwimmenden Hochmoor setzt sich Schlick ab, der sich mit Torf zu so genanntem Klappklei vermengt. Nach der Sturmflut setzt sich das Hochmoor wieder ab. Theoretisch kann sich das endlos wiederholen, tatsächlich aber wird das Hochmoor vom Rand her zügig abgebaut.