Möven und andere Küstenvögel patroullieren gerne bei Ebbe die Priele ab - und zwar aus gutem Grund:

Die Seegatten und Prielsysteme lassen nicht nur mit Sand und Schlick beladenes Flutwasser ins Wattenmeer ein, der ablaufende Ebbstrom gestaltet den Verlauf der Priele genauso wie ein Fluß im Binnenland. Die Priele mäandrieren und bilden Schlingen. An den Außenseiten der Biegungen reißt der Ebbstrom den abgelagerten Wattboden wieder weg, und es bilden sich steile Prallhänge, an denen immer mehr Sediment abgetragen wird. An den Innenseiten der Biegungen hingegen setzt sich das Material wieder ab, wobei sich sanft abfallende, in die Prielbiegung hinein wachsende Zungen bilden, die Gleithänge.

Für die im Watt eingegraben lebenden Tiere hat die Abtragung an den Prallhängen fatale Folgen: Sie werden freigespült (unten) und fallen in die Priele.

Wie dem auch sei, im Gefüge des heutigen Wattenmeeres spielt sie eine eminent wichtige Rolle. Die großen, schweren Schalen der Sandklaffmuscheln können wegen ihres Gewichts nicht so leicht umgelagert werden und sammeln sich am Rande der Priele an. Solche Schillbänke bilden stabile Plattformen, die von Tieren besiedelt werden können, die eigentlich an Felsküsten zu Hause sind und auf den weichen Watten ohne die Schillbänke keine Chance hätten.
Die Besiedelung der Schillbänke beginnt sehr bald. Als erstes wachsen auf den Muschelschalen mikroskopische Algenrasen und dann auch Rotalgenkrusten, und die nutzt recht zügig eine Käferschnecke (Lepidochitona cinerea) als Weidegrund. Die kleinen Löcher in der Muschelschale weisen darauf hin, daß die Schale selbst zum Lebensraum eines Bohrschwamms (Clione celata) geworden ist, der hier - gut abgeschirmt von der Außenwelt - Plankton aus dem Wasser filtert, das er durch die Löcher zu sich hineinstrudelt.
Die größten Schalen liefert die Sandklaffmuschel (Mya arenaria). Sie sitzt sehr tief unter der Oberfläche und stirbt bereits ab, wenn ein großer Teil ihres Körpers noch im Boden steckt. Sie kam erst durch Ballast mittelalterlicher Schiffe von der amerikanischen Küste zu uns, vielleicht bereits durch die Wikinger, spätestens aber durch die baskischen Fischer, die bereits kurz nach der Entdeckung Neufundlands durch Giovanni Caboto dort Stützpunkte errichteten. Dennoch ist sie genau genommen einheimisch, da sie hier erst durch die Eiszeit ausgestorben ist.
Zurück bleiben die leeren Schalen. Sie werden überall an die Ufer geworfen, wie auch manchmal die Skelette von Seeigeln. An Stellen besonders starker Wasserbewegung können sich mitunter sogar reine Muschelablagerungen bilden, so genannte Schillbänke, weil Sand und Schlick fortgespült werden.
Krause Bohrmuschel (Zirfaea crispata)
Baltische Plattmuschel (Macoma baltica)
Ovale Trogmuschel (Spisula solida)
Herzseeigel (Echinocardium cordatum)
Teppichmuschel (Venerupis pullastra)
Große Herzmuschel (Cerastoderma edule)
Gebogene Schwertmuschel (Ensis americanus)
Viele Muscheln können sich wieder eingraben. Die Herzmuschel (Cerastoderma edule) streckt ihren Fuß aus und stellt sich auf (links oben). Dann öffnet und schließt sie die Schalen, so daß sie jedesmal etwas Sand weg drängt und so immer tiefer im Boden einsinkt (links). In den Prielen funktioniert das allerdings oft nicht, da die ständige Wasserbewegung es den Muscheln schwer macht, Fuß zu fassen.
Darauf lauern die Räuber, wie zum Beispiel die Strandkrabben (Carcinus maenas). Trotz ihres Namens und trotz ihrer Fähigkeit, auch außerhalb des Wassers zu jagen, halten sich vor allem ältere Strandkrabben lieber in den ständig überspülten Prielen auf und warten auf ihren Teil. Falls nicht die Möven sich die Muscheln holen, und die Krabben gleich mit...